Onboarding von Führungskräften in Zeiten der Pandemie

Marcel Ramin Derakhchan1. Dezember 2020

Das virtuelle Hiring und Onboarding erweist sich – vor allem in Zeiten der Pandemie – weitaus herausfordernder als erwartet. Wir beleuchten einige best practices und geben nachfolgend Tipps, um die richtigen Leute zu suchen, zu finden und diese zu befähigen, langfristig erfolgreich in der neuen Organisation zu sein.

Das Problem:

Wenn es darum geht, die richtigen Menschen einzustellen und einen erfolgreichen Onboarding-Prozess zu gewährleisten, sind die meisten Unternehmen der Überzeugung, dass ein persönliches Kennenlernen unabdingbar ist. Derzeit und vermutlich auf absehbare Zeit wird das oftmals nur schwer möglich sein. Die Prozesse persönlicher Interviews lassen sich aber nicht eins zu eins auf eine rein virtuelle Umgebung übertragen.

Warum das wichtig ist:

In einer (Teil-)Remote-Arbeitswelt sind virtuelles Recruiting und Onboarding ein Wettbewerbsvorteil, um Talente anzuziehen und für sich zu gewinnen.
Wenn man die Rekrutierungskosten, die in Neueinstellungen investierte Zeit, und das potenzielle Risiko einer Neueinstellung betrachtet, wird deutlich, dass fehlgeschlagene Onboarding-Initiativen enorme Kosten verursachen.

Laut Harvard Business Review dauert es ungefähr sechs Monate, um einen neuen Mitarbeiter zu integrieren und „zum Laufen zu bringen“. Darüber hinaus wird das erste Beschäftigungsjahr als die kritischste Phase für das mögliche Scheitern von Neueinstellungen angesehen. Infolgedessen wäre es ratsam, dass Unternehmen den Zeitraum, in dem Onboarding-Aktivitäten stattfinden, mit mindestens einem halben Jahr planen, um Risiken zu minimieren.

Für Middle Managmenent Hires kostet es mehr als 150 % des Jahresgehalts, sie zu ersetzen. Für Executives und Top-Spezialisten betragen die Kosten bis zu 400 % ihres Jahresgehalts.

Quelle: TLNT

Die Lösung:

Die Schaffung eines Umfelds, das ein Gefühl von Zugehörigkeit vermittelt – zu den Menschen und der Kultur des Unternehmens ist deshalb zwingend geboten. Dabei kommt es darauf an, ob es einen grundsätzlichen Werte- und Kulturkonsens mit dem Kandidaten gibt. Ein Gefühl dafür muss bereits in der Frühphase des Recruiting-Prozesses entstehen.

Viele Unternehmen sind sehr gut darin, ihre Kernwerte in persönlichen Interviews bei Kandidaten zu überprüfen. Charakterstärke, Offenheit und Leidenschaft können z.B. mit spezifischen Fragen herausgearbeitet werden. Aber kann das in einem Zoom oder MS Teams Meeting gelingen?

Zuerst sahen die Unternehmen in der Umstellung auf Remote durchaus Vorteile für ihr Hiring: Keine starren Kalender, keine festen Standorte, teure Anreisen etc. Entsprechend schnell wurden die entsprechenden Prozesse virtualisiert. Einige Video-Interviews, der Besuch der Firmenwebsite, gefolgt von Vorstellungen in MS Teams Meetings…

Aber die Realität spielte bei diesem Shift nicht ganz mit und es erkannten im Frühjahr nur wenige, wie schwierig die Umstellung auf virtuelles Recruiting sein würde. Viele erfahrene Interviewer berichten davon, dass sie sich zu Beginn der virtuellen Interviews „blind fühlten“. New Hires klagten über ein Empfinden von Isolation und Oberflächlichkeit. Das Gefühl für die Unternehmenskultur kam zu kurz. Doch aus vielen Gesprächen wissen wir, dass es in den ersten Monaten der Pandemie bei vielen Unternehmen und Kandidaten große Unsicherheit darüber gab, ein Offer auszusprechen bzw. dieses auch anzunehmen, ohne seinen Chef oder den neuen Mitarbeiter persönlich getroffen zu haben.

Doch nach acht Monaten unter den Bedingungen der virtuellen Kommunikation haben zahlreiche Unternehmen begonnen zu erkennen, dass das Choreographieren einer virtuellen Candidate Experience dazu genutzt werden kann, um sich von anderen Unternehmen abzuheben und gar einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Inzwischen zeichnen sich erste best practices ab:

Der Clou besteht darin, eine schnelle Verbindung zum Unternehmen, seinen Mitarbeitern und seiner Kultur herzustellen ohne dabei ausschließlich face-to-face Meetings abzuhalten.

4 Tipps für virtuelles Onboarding

ONBOARDING-PLAN

Schaffen Sie ein strukturiertes Onboarding Programm. Zu Beginn hohe Intensität, nach einigen Wochen deutliche Reduktion formaler Meetings.

ZEITMANAGEMENT

Bauen Sie zwischen Meetings kurze Pausen ein, in denen Sie so tun, als ob Sie Kaffee holen, die Bürogänge entlanglaufen oder in Arbeitsgruppen zusammenarbeiten.

NICHT NUR VIDEOS

Nutzen Sie es entsprechend umsichtig. Nicht jeder findet es toll, den ganzen Tag vor der Kamera zu sitzen.

ERFAHRUNG ZÄHLT

Je seniorer die Neueinstellung, desto leichter fällt ihr das virtuelle Onboarding. Sie sind oft erfahrener beispielsweise, wie regelmäßig sie mit den direkten Vorgesetzten sprechen sollten und wie sie Beziehungen zu den Kollegen aufbauen.

Viele Unternehmen sind rasch dazu übergegangen, die Terminkalender mit Blöcken von vier bis fünf Stunden – ein Meeting nach dem anderen – zu füllen. Das bedeutet oftmals stundenlanges Sitzen vor einem Bildschirm und der Kamera. Ohne Pause. Für Kaffeeliebhaber heißt es also keine Kaffeepausen zwischendurch, kein Abstecher ins Büro der Kollegen nebenan, kein Tapetenwechsel. Inzwischen wissen wir alle, wie sehr ein solcher Tag an der Substanz zehrt. Inzwischen sehen die Kalender anders aus.

Neu eingestellte Führungskräfte können das virtuelle Onboarding zu ihrem Vorteil nutzen: Sie planen Anrufe und Videokonferenzen mit dem C-Level, um sich kurz vorzustellen. Unter normalen Umständen würde es mehrere Wochen dauern, um seinen Bekanntheitsgrad derart aufzubauen. Und auch Im Top-Management setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Candidate Experience in virtuellen Einstellungsverfahren immer wichtiger wird. Entsprechend wächst auch der Wunsch, sich in ihrer Interviewführung schulen zu lassen.

Wir werden immer besser darin, das virtuelle Recruiting souverän zu managen. Erste Erfahrungen in 2020 zeigen: gut choreografierte Onboarding-Prozesse schaffen ein Zugehörigkeitsgefühl und erhöhen die Zufriedenheit bei allen Beteiligten.